212 §. 76. Die Kirche in ihrer tiefsten Erniedrigung.
träge mit dem Kaiser die Kraft: nur für Frankreich mußte er
sie gelten lassen, und daraus entstunden in der Folge die so-
genannten Freiheiten der gallicanischen Kirche.
Jedenfalls aber begann von dieser Zeit an die Macht der
Kirche auffallend abzunehmen, zumal die kirchliche Richtung
aufgehört hatte, das Leben der europäischen Völker in dem
Grade zu beherrschen, wie früherhin, und jede Nation mit
der fortschreitenden Entwicklung ihrer Selbstständigkeit darauf
bedacht war, den Einfluß der päpstlichen Macht bei sich zu
beschränken. Anderseits sank aber auch die kaiserliche Macht
immer tiefer durch die fortschreitende Ausbildung der sie be-
schränkenden Landeshoheit der Fürsten, so daß jene den Reichs-
ständen gegenüber fast nur noch in Oberhoheit bestand.
Nach Sigmund's Tode kam mit Albrecht Ii von
Österreich
1438 die Kaiserwürde-wieder an das habsburgische Haus,
bei welchem sie dann fortwährend blieb. Da Albrecht bald
starb, wurde Friedrich Iii, sein Neffe, gewählt, welcher drei
und fünfzig Jahre lang über Deutschland regierte, aber mit
so wenig Kraft und Ansehen, daß im Reiche die größte Un-
ordnung einriß, der ohnedieß nie völlig zu Stande gekommene
Landfrieden asienthalben gebrochen wurde, und in den Län-
dern, wohin sonst die kaiserliche Macht gereicht hatte, ver-
schiedene Veränderungen und zum Theil Umwälzungen vor-
giengen, ohne daß Friedrich etwas dagegen that oder thun
konnte. Doch fieng unter ihm die Macht Habsburgs an, euro-
päische Bedeutung zu bekommen.
Ihm folgte sein Sohn, der edle, ritterliche Maximilian I
(1493—1519), der schon vorher als Gemahl Maria's, der
Tochter Karl's des Kühnen von Burgund (s. §. 79), die
Niederlande erworben hatte. Da er zu feinen kriegerischen
Unternehmungen die Hülfe der Reichsstände, und besonders
der Reichsstädte bedurfte, so willigte er
1493 in die Gründung des ewigen Landfriedens, zu
dessen Aufrechthaltung nachher das Reichskammergericht
eröffnet wurde. Nur die Schweiz wollte dieses Gericht nicht
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Extrahierte Personennamen: Albrecht_Ii_von
Österreich Albrecht Albrecht Albrecht Friedrich_Iii Friedrich Friedrich Friedrich Maximilian_I Maximilian
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Deutschland Habsburgs Burgund Niederlande
§. 79. Frankreich.
221
aus Rechtlichkeit dem Könige von England einige von des-
sen früheren französischen Besitzungen zurückgab. Er stellte
Ruhe und Ordnung im Reiche her, verbesserte das Gerichts-
wesen und ordnete den Zustand der Kirche. (Von seinem
Kreuzzuge und Tod vor Tunis s. §. 73.)
Sein Enkel Philipp Iv August, der Schöne,
machte durch seine Herrschsucht und Gewaltthätigkeit das
Königthum fast unumschränkt. Derselbe war es auch, der
den sonst so gewaltigen Papst Bonifaz Viii so demüthi-
gend behandelte, daß dieser in Folge widriger Erfahrungen
in eine hitzige Krankheit verfiel und starb; — der dann den
Nachfolger desselben, Clemens V, nöthigte, 1305 den
päpstlichen Stuhl von Rom nach Avignon zu versetzen
und auf lange Zeit dem, die Kirche herabwürdigenden fran-
zösischen Einflüsse hinzugeben, — und der endlich auch den
Tempelherrenorden, dessen Schätze und Güter seine
Habsucht reizten, auf eine grausame Weise verfolgte und
1312 dessen gewaltsame Aufhebung betrieb.
Nach dem Aussterben des capetingischen Mannsstammes
kamen
1328 die Könige aus dem Hause Vulois (einer Seiten-
linie des capetingischen) auf den Thron. Der erste dersel-
den, Philipp Iv, verlor gegen Eduard Iii von England
1346 die Schlacht bei Crecy und mußte Calais ab-
treten, erwarb aber durch Schenkung die Grafschaft Dau-
phine von dem letzten Besitzer derselben, seit welcher Zeit
dann die Kronprinzen von Frankreich stets den Titel Dau-
phin führten.
Sein Sohn Johann mußte in den fortgesetzten Kriegen
mit England (besonders mit dem schwarzen Prinzen,
Eduard's Iii Sohne) noch mehrere andere Besitzungen an
England abtreten; seinem eigenen Sohne, Philipp dem
Kühnen, verlieh er 1363 das erledigte Burgund, das
dieser dann durch Erwerbungen in den Niederlanden er-
weiterte.
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Extrahierte Personennamen: Philipp_Iv Philipp August Bonifaz Clemens_V Philipp_Iv Philipp Eduard_Iii_von_England Eduard Johann Johann Philipp_dem
Kühnen Philipp
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich England Tunis Rom Avignon Crecy Frankreich England England Burgund Niederlanden
tz. 80. England.
223
gen aber und die Grafschaft Burgund (Franche-Comté)
durch die Vermählung der Tochter Karl's, Maria mit
Maximilian (dem nachmaligen deutschen Kaiser), an
das österreichische Haus kamen. — Bei Ludwig's Xi Tode
war Frankreich in eine volle Monarchie übergegangen.
4. England.
80. Die von den Angelsachsen gestifteten sieben König-
reiche (s. §. 66 a. E.), in welchen seit dem Ende des 7.
Jahrhunderts, vornehmlich durch die Bemühungen Papst
Gregors des Großen, das von den heidnischen An-
gelsachsen zerstörte Christenthum wieder aufkam und die be-
kehrten Eroberer sich der von einem guten Geiste beseelten
Kirche fügten, wurden 827 von König Egbert in Ein
Reich vereinigt, das aber nicht im Stande war, die unauf-
hörlichen Angriffe der eingedrungenen Dänen abzuwehren,
bis gegen das Ende des 9. Jahrhunderts Alfred der
Grohe sie besiegte und ihre Besitzungen beschränkte.
Alfred war für England das, was Karl der Große für
das Frankenreich war: er sicherte die Gränzen des Reichs,
ordnete die Rechtspflege, stellte Kirchen, Klöster und Schulen
her, ließ sich die Ausbildung der Landessprache angelegen
sepn und sorgte auf alle Weise für die Bildung des Volks.
Unter seinen Nachfolgern kehrten die Angriffe der Dänen
wieder, so daß König Edelred Ii sich gezwungen sah, auf
einige Zeit nach der Normandie zu seinem Schwiegervater
zu fliehen, und daß sein älterer Sohn sogar das Reich mit
dem Dänenkönige Kanut 1016 theilen mußte, worauf die-
ser sich zuletzt zum Alleinherrn von England machte, Christ
wurde und nach der Erwerbung Dänemarks und der Erobe-
rung Norwegens alle drei Reiche mit Weisheit und Gerech-
tigkeit regierte.
Nach dem Tode seiner Söhne aber kam England an Edel-
red's jüngern Sohn, Eduard d e n B e k e n n e r. Dieser
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Extrahierte Personennamen: Maria Maria Maximilian_( Maximilian Gregors König_Egbert Alfred Alfred Karl_der_Große Karl Eduard_d Eduard
Extrahierte Ortsnamen: England Frankreich England England England Norwegens England
280
h. 96. Der dreißigjährige Krieg.
2. Das siebzehnte Jahrhundert.
fl. Der dreißigjährige Krieg.
rr) Der böhmisch-pfälzische und der niedersächsisch-
dänischekrieg.
§. 96. ^ie Spannung der Katholiken und Protestanten in
Deutschland stieg unter der schwachen Regierung Ru-
dolfs Ii, des Sohnes Marinülians Ii, durch gegenseitige
Eingriffe immer höher. Die Protestanten drangen auf Er-
neurung der Religionsfriedcns - Bestätigung, die man ihnen
aber nur gegen Herausgabe der seit dem Passauer-Vertrag
eingezogenen Güter gewähren wollte. Als daher die Unter-
drückung der Protestanten insteyermark und die Ächtung Do-
nauwörths ihre Besorgnisse steigerte, so schloßen sie 1608
eine Union zum Schutze ihrer Rechte unter dem reformirten
Kurfürsten Friedrich Iv von der Pfalz, wogegen als-
dann die Katholiken eine Liga unter dem Herzog Maxi-
milian von Bayern schloßen. Beide Theile geriethen
kurz darauf bei Gelegenheit des Iülichischen Erbfolgestreites mit
den Waffen aneinander; doch machten sie bald wieder Frieden.
Als nach Rudolfs Tode sein Bruder Mathias Kai-
ser wurde, ließ er sich bereden, seinem Vetter Ferdinand,
als künftigem Nachfolger, einstweilen die Regierung von Böh-
men, Ungarn und Österreich zu übertragen. Weil aber der
sirengkatholische Ferdinand in seinen Erblanden Steyermark,
Kärnthen und Krain den Protestantismus völlig unterdrückt
hatte, so befürchteten die protestantischen Stände in Böhmen,
welche von Rudolf im sogenannten Majestätsbriefe
freie Religionsübung erhalten hatten, das gleiche Schicksal.
Wirklich wurde auf kaiserlichen Befehl von zwei Kirchen,
welche von protestantischen Unterthanen katholischer Stände
gebaut worden waren, die eine niedergerissen, die andere
geschlossen, und als die protestantischen Stände sich darüber
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Iv Friedrich Rudolfs Mathias_Kai- Ferdinand Ferdinand Ferdinand Rudolf Rudolf
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Marinülians Bayern Iülichischen_Erbfolgestreites Rudolfs Ungarn Krain
h. 10 J. Schwedens Fall und Rußlands Erhebung. 299
ßenden Hülle feiner Bildung, jener Geist sittlicher Unrein-
heit, völliger Gleichgültigkeit gegen das Heilige, despotischer
Willkühr, leichtsinniger Verschwendung, launenhafter Mode-
sucht, welcher von Paris aus nicht nur ganz Frankreich,
sondern auch fast alle Völker und Staaten Europa's seuchen-
artig ergriff und die sittlichreligiösen Stützen des Völker-
glücks und Staatenbeftandes untergrub.
L. Schwedens Fall und Rußlands Erhebung.
§. 101. Mährend dieser Bewegungen und Veränderungen im
Westen Europa's war auch der Norden und Osten in Er-
schütterung : denn dort war Schweden mit Dänemark,
Rußland und Polen im Kampf.
Schweden war unter der Regierung C h r i st i n a' s,
der geistvollen, aber ganz unweiblichen Tochter Gustav
Adolfs, die erste nordische Macht geworden. Unter
Karl X (von Pfalz-Zweibrücken, Gustav Adolfs Schwe-
stersohne, zu dessen Gunsten Christina die Krone nie-
derlegte, um in Frankreich katholisch zu werden und in
Italien ein ungebundenes Leben zu führen) hatte sich diese
Macht in einem Kriege mit Polen durch Eroberung
Liefland's und mehrerer dänischen Znseln erweitert und
sich auch unter Karl Xi in dem gleichen Umfang erhalten:
— als die Minderjährigkeit Karl Xii, welcher 1697 seinem
Vater auf dem Throne folgte, den Feinden Schwedens die
beste Gelegenheit zu seiner Schmälerung zu bieten schien.
Diese Gelegenheit erfaßte nun zunächst Rußland.
Rußland hatte auch unter den Nachfolgern Zwan's
Wasil jewitsch ( §. 81 a. E.) sich weiter entwickelt.
Wasilei Iv (1505 — 1534), der zuerst den Czaarstitel
annahm, hatte durch die Errichtung der S t r e l i tz e n (einer
Leibgarde) den Grund zu einem stehenden Heere gelegt,
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Extrahierte Personennamen: L._Schwedens Gustav
Adolfs Gustav Adolfs Karl_X Karl Gustav_Adolfs_Schwe- Gustav Adolfs Christina Karl_Xi Karl Karl_Xii Karl
Extrahierte Ortsnamen: Schwedens Paris Frankreich Westen_Europa's Polen Frankreich Italien Schwedens
300 ß. 101. Schwedens Fall und Rußlands Erhebung.
das stets sich empörende Kasan wieder zur Lehnspflicht
gebracht und Astrachan erobert. Da aber mit seinem
Sohne Feodor 1588 der Mannsstamm Rurik's erlosch,
so wurde das Reich durch Thronstreitigkeiten erschüttert,
bis durch die vereinigten russischen Großen
1613 das Geschlecht der Romanow zur Erbfolge berufen
und die Ruhe hergestellt wurde.
Der Enkel des Stifters dieser neuen Czaarendynastie,
Peter der Große, faßte, als er 1689 die Regierung
selbst übernahm, den fruchtbaren Gedanken, die Macht sei-
nes Reiches durch Einführung europäischer Kultur zu he-
den. Er gab die Reisen ins Ausland frei, setzte das See-
und Kriegswesen auf europäischen Fuß, gab der Staats-
verwaltung europäische Formen, zog zur Beförderung der
Industrie geschickte Ausländer ins Land, gründete Bildungs-
schulen und machte sich zum Haupt der russisch-griechischen
Kirche.
Nachdem er in einem glücklichen Kriege mit den Türken,
deren Schwäche seit längerer Zeit zugenommen hatte, Asow
erobert und den freien Handel auf dem schwarzen
Meere errungen hatte, machte er, nach Dämpfung einer
Strelitzenempörung, selbst Reisen zu seiner Ausbildung ins
Ausland, und lernte in Holland Schiffe bauen, in England
aber das Schiffswesen in seiner Vollkommenheit kennen. Als
ihn ein Aufstand der Strelitzen zurückgerufen und er diese
stets aufrührerische Leibwache nach furchtbarer Bestrafung
aufgehoben hatte, dachte er darauf, sich durch Eroberung
der schwedischen Ostseeländer auch eine Seemacht im
baltischen Meere zu gründen, und zu diesem Zwecke >
verband er sich, die minderjährige Regierung Karl's Xii
benützend, mit Dänemark und Polen.
Polen, — das unter den letzten beiden Zagellonen
(§. 81) durch Erwerbung von Masovien, Kurland und
Litthauen den Gipfel seiner Macht erreicht, aber nach dem
Aussterben des jagellonischen Man ns st am m 's
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Extrahierte Personennamen: Feodor Peter_der_Große
Extrahierte Ortsnamen: Schwedens Kasan Astrachan Holland England Polen Kurland
Die flanschen Reiche Polen und Rußland. 229
Entwickelung des Bürgerstandes, so daß dann
doch späterhin bloß der Adel die Nation ausmachte.
Da mit chm die Piasten ausstarben, so erkannten die
Polen seinen Neffen, den König Ludwig den Großen
von Ungarn, als ihren König an, und überließen nach
dessen Tode die Krone seiner Tochter Hedwig, die den
Großfürsten Jagello von Litthauen zum Gatten nahm,
wodurch
1386 die Dynastie der Jagellorren auf den polnischen
Thron kam und Polen ein Wahlreich wurde. — Die
laugen Kriege Polens mit dem deutschen Orden, wel-
cher sich seit 1283 das slavische Preußen unterworfen und
darin deutsche Bildung und das Christenthum eingeführt hatte,
beendete Casimir Iv durch den Frieden von Thorn
1466, worin der Orden einen Theil seines Gebiets abtreten
und in Betreff des übrigen Theiles die Lehenshvheit Polens
anerkennen mußte. Während der Streitigkeiten König Ca-
simir'slv mit seinen Ständen bildete sich der polnische
Reichstag (das Parlament des Adels) aus. Seinem vier-
ten «Sohne Sigmund I, der 1507 zur Regierung kam, ge-
lang es, Masovien wieder mit Polen zu vereinigen.
2. Das Russische Reich wurde von Normannen
(Warägern) und zwar von drei Brüdern aus dem schwedi-
schen Stamme Nuß gegründet, die von den an der Ostsee
wohnenden slavischen Stämmen zur Schlichtung ihrer Strei-
tigkeiten im Jahre 862 hcrbeigerufen und zu ihren Fürsten
gemacht worden waren, und von denen der eine, Namens
Rurik, der in Novgorod seinen Sitz hatte, nach dem Tode
seiner beiden Brüder Alleinherrscher wurde. Unter der Ne-
gierung seines Sohnes Igor bemächtigten sich die Russen der
Stadt Kiew, die schon früher von andern Normannen unter
Ol eg besetzt worden war; Jgor's Gemahlin Olga, trat
955 zum Christenthum über, und er und seine Nachfolger^
dehnten ihre Herrschaft immer weiter aus.
Ruriks Urenkel Wladimir der Große nahm 988
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Hedwig Jagello Casimir_Iv Namens
Rurik Igor Olga Ruriks
§. 83. Ungarn.
231
Im 12. Jahrhundert wurde Ungarn von Thronstreitig-
leiten und bürgerlichen Kriegen zerrüttet, während welcher
das königliche Ansehen sank, und der Adel (die Magna-
ten) große Vorrechte sich anmaßte. — Unter Geisa Ii
(1141 — 1161) wanderten Deutsche aus den Niederlanden
ein und ließen sich in Siebenbürgen nieder, wo sie unter dem
Namen Sachsen ihre Sprache und Sitten beibehielten. —
Gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts wurde Ungarn von
den Mongolen verheert, darauf aber von König Bela Iv
(1235 — 1270) durch deutsche Ansiedler und durch Begünstigung
der Städte wieder gehoben.
Bis 1301 war Ungarn ein Erbreich unter der arpa-
dischen Dynastie. Nach dem Erlöschen derselben wurde
Ungarn ein Wahlreich und kam an einen König aus
dem Hause Anjou von Neapel, dessen Sohn, Ludwig
der Große, ruhmvolle Kriege führte, und, als er die
Krone Polens erhielt (§. 82), Ungarn auf eine hohe Stufe der
Wohlfahrt hob. Durch seine Tochter und Nachfolgerin er-
hielt deren Gatte, der nachmalige Kaiser Sigmund,
nach diesemalbrecht von Österreich, dann der polnische
König Wladislav die Krone von Ungarn.
Hierauf kam das Land unter die vormundschaftliche
Regierung des Fürsten von Siebenbürgen, Johann Hu-
nyades, der durch seine große Tapferkeit 1456 Ungarn,
diese Vormauer der Christenheit gegen die Tür-
k e n, rettete. — Nach seinem und des jungen Königs Tode
wählten daher die Ungarn seinen Sohn Matthias Cor-
vinns (1458 — 1400) zu ihrem Könige. Er war gleich
ausgezeichnet als heldenmüthiger Feldherr, wie als weiser
Staatsmann. Er kämpfte glücklich gegen die Türken, unter-
warf sich die M o l d a u und Walachei, nahm den Böh-
men — Mähren, Schlesien und die Lausitz, so wie dem
deutschen Kaiser Friedrich Iii viele Orter in Österreich und
Steyermark. Dabei beförderte er in Ungarn die Bildung durch
Berufung von Gelehrten, Errichtung einer Universität und
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Extrahierte Personennamen: Ludwig
der_Große Ludwig Johann_Hu- Johann Matthias_Cor- Friedrich_Iii Friedrich
§. 89. Fortgang der Reformation. _ 245
allgemeines Concilium, verbrannte vor dem Thore zu
Wittenberg
1320 den 10. December die päpstliche Bulle sammt dem
römischen Kirchenrechte, und sagte sich damit vom
Papstthume los.
Ein Jahr zuvor hatte auch in der Schweiz der Pfarrer
Huldrich Zwingli in Zürich, gleichfalls aus Veranlassung
des Ablaßhandels, eine Reformation begonnen, die eben so
raschen Fortgang hatte. Während der tiefsinnige Luther in
seiner durch und durch monarchischen Gesinnung vom kirchlich
Bestehenden ausgieng und durch Reinigung des Glaubens
auf Sitte und Leben zu wirken strebte, wollte Zwingli als
geborner Republikaner in seiner, mehr den Bedürfnissen des
gemeinen Lebens zugewandten Gesinnung zunächst Sitte und
Leben bessern und als moralisch-politischer Reformator die
Eidgenossenschaft zu ihren ursprünglichen Grundsätzen zurück-
führen. In diesem Gegensätze lag der verschiedenartige Fort-
gang der deutschen und der helvetischen Reformation, so wie
das verschiedenartige Schicksal der beiden Reformatoren.
2. Fortgang der Reformation.
§. 89. ^Unterdessen hatten nach Kaiser Marimilian's I Tode die
Kurfürsten auf den Rath des bisherigen Reichsverwesers,
Friedrich's des Weisen von Sachsen, der die ihm angetragene
Krone ausschlug, den König Karl I von Spanien, Enkel
Marimilian's und Ferdinands des Katholischen, zum Kaiser
gewählt und ihn den 22. Oktober 1520 als Karl V gekrönt.
Da sich auch bereits bedeutende Reichsfürsten, wie der
Kurfürst Friedrich von Sachsen, der Landgraf Phi-
lipp von Hessen, der Markgraf Albrecht von
Brandenburg, auf Luther's Seite neigten, und die Be-
wegung gegen die Kirche allgemein zu werden drohte, wurde
Luther vom Kaiser gegen sicheres Geleite
1321 auf dem Reichstag zu Worms vorgefordert, um sich
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Extrahierte Personennamen: Huldrich_Zwingli Zwingli Karl_I_von_Spanien Karl Enkel
Marimilian's Ferdinands Karl_V Karl Friedrich_von_Sachsen Friedrich Albrecht_von
Brandenburg Albrecht
268
tz. 93. Die Reformation in England.
Erst unter seinem Sohne Eduard Vi wurde mit Hülfe
des Erzbischofs Cranmer die Protest. Reformation
eingeführt, die Bischöffe jedoch und ein Theil der katho-
lischen Cultusformen beibehalten. Seine Nachfolgerin aber,
die eifrigkatholische Maria, führte die alte Ordnung wie-
der ein und ließ viele Protestanten auf's grausamste hin-
richten; selbst der allgemein verehrte Cranmer mußte den
Flammentod erleiden. Weil man ihn, den 67jährigen Greis,
durch List zur Unterschrift eines Widerrufs vermocht hatte,
erklärte er öffentlich, daß er dieß nur aus Todesfurcht ge-
than habe, streckte, als er den Holzstoß bestieg, die rechte
Hand, welche unterschrieben hatte, zuerst ins Feuer und
starb mit unerschütterlicher Standhaftigkeit.
Nach Maria's Tode aber trat ihre Halbschwester, die
mit fast männlichem Geiste und großem Herrschertalente
begabte Königin Elisabeth, (Tochter Heinrich's Viii und
der Anna Boleyn) von der katholischen Kirche wieder ab
und richtete mit Hülfe des Parlaments
Issn die englische Episkopalkirche ein, wie sie noch jetzt
besteht. Weil aber diese Kirche von der katholischen Form
noch Vieles beibehielt, so stellte sich ihr die Secte der
Puritaner (so genannt wegen ihrer äußersten Einfach-
heit und strengen Kirchenzucht) entgegen; diese verwarf
den Suprematseid d. i. wollte die königliche Oberhoheit in
Kirchenfachen nicht anerkennen, weßhalb sie gleich den Katho-
liken verfolgt wurde.
Unterdessen war die calvinistifche Reformation seit 1542
auch in Schottland besonders durch den strengen Eifer
des kühnen Johann K n o r verbreitet und eben vom schot-
tischen Parlament als presbyterianische Kirche
öffentlich eingeführt worden, als 1561 die Königin Maria
Stuart nach dem Tode ihres Gemahls, Königs Franz Ii
von Frankreich, nach Schottland znrückkehrte und sich für
das Papstthum erklärte. Sie gab thre Hand und den Kö-
nigstitel ihrem Vetter, dem Grafen D a r n l e y. Zwei Zahre
darauf wurdo dieser ermordet. In leidenschaftlicher Verblen-
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Extrahierte Personennamen: Eduard_Vi Eduard Maria Maria Anna_Boleyn Johann Maria
Stuart Maria Franz_Ii
von_Frankreich Franz
Extrahierte Ortsnamen: England Schottland Schottland